"Schüler machen Zeitung" - auch unsere Schüler, in Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt. Dabei wurde Aycan Bozok aus der 9c ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!
Aycan hat einen der zehn besten Artikel in Hamburg geschrieben. Hier ist er:
Es ist nicht immer einfach, so zu sein und so zu sprechen wie Sie.
Ich komme aus einer türkischen Familie und bin mit vier Jahren nach Deutschland ausgewandert. Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass unsere Verwandten uns vom Hamburger Flughafen abgeholt haben. Obwohl ich sehr jung war, weiß ich noch alles haargenau: Wir wurden zu unserem neuen Heim gefahren und während der Fahrt habe ich aus dem Fenster geschaut, Deutschland mit der Türkei verglichen. Und alles, was ich sah, war nicht vergleichbar. Die Menschen in ungewohnter Kleidung und ihre neuen Gesichter, die aufgeräumten Straßen. Die deutschen Landschaften waren ganz anders, als ich es mir je hätte vorstellen können.
Das erste Jahr lang habe ich damit verbracht mich hier nur zurechtzufinden. Das größte Problem stand mir noch bevor: Ich musste zur Schule und Deutsch lernen. Auch nach der Vorschule blieb die Angst, in die 1.Klasse zu kommen. Während der Vorschule konnte ich kaum Freundschaften schließen, weil ich mich doch so wenig verständigen konnte.
Am Tag der Einschulung hatte ich keine Schultüte. Meine Mutter ist hier nicht aufgewachsen, also wusste sie damals nicht, dass man für ein kleines Kind eine Schultüte kauft. Ich weiß noch ganz genau, als ich die Kinder mit den Schultüten vor mir sah und dann ganz traurig und wütend zugleich war. Traurig, weil ich es leid war, dass ich anders war als die anderen Kinder. Wütend, weil ich wollte, dass meine Mutter einmal das macht, was die anderen deutschen Mütter machten. Ich konnte es nicht ändern und ich kann heute nachvollziehen, was sie durchgemacht hat und welche Schwierigkeiten sie damit hatte, mich in einem fremden Land zu erziehen.
Die deutsche Sprache habe ich viel schneller gelernt als erwartet, doch trotz allem lässt mich das Gefühl bis heute nicht los, dass mein Deutsch schwächer ist als das der anderen. Mir fällt es immer noch ein wenig schwer, die Sätze grammatikalisch richtig zu formulieren. Dass ich Schwierigkeiten damit habe, liegt zum Teil daran, dass ich zu Hause und auch mit einigen Freunden türkisch rede.
Heute gibt es noch Menschen, die mir immer wieder sagen, wie klein und zerbrechlich ich damals gewirkt habe. Aber ich habe es geschafft, die deutsche Sprache zu beherrschen.
Zurzeit besuche ich die 9.Klasse des Gymnasiums Bornbrook im Bezirk Bergedorf. Ich bin zwar keine 1-er Schülerin, aber besser als die meisten aus meiner Klasse, die eine Gymnasium-Empfehlung bekommen hatten. Ich habe versucht, mich mehr anzustrengen als die anderen, denn ich höre zu Hause immer von meinen Eltern: "Wir glauben an dich, dass du irgendwann mit einem guten Schulabschluss aus der Schule rausspazieren wirst". Diese Worte sind bis heute sehr aufmunternd und ich bin froh, dass mich meine Eltern unterstützen. Und sie sind stolz auf mich, dass ich auf ein Gymnasium gehe. Das ist für sie wichtig, denn ich bin die einzige von meinen Geschwistern und von dem Rest meiner Familie, die hier zur Schule geht.
Obwohl ich hier nicht von Anfang an aufgewachsen bin, mein Deutsch nicht perfekt ist und auch, wenn mich die meisten als eine Ausländerin sehen, bin ich froh in Deutschland leben zu dürfen.
Aycan Bozok – Gymnasium Bornbrook – 9 c